Über Regers Memento für Orgel, op. 13
Es nötigt schon Respekt ab, wenn man sich – wie bei dieser Notenedition von Kai Schreiber geschehen – dem kompakt strukturierten und harmonisch überbordenden Schaffen Max Regers gekonnt von einer ganz lockeren, unbekümmerten, fast minimalistischen Art und Weise nähert. Vielleicht ist das aber auch die einzig sinnvolle Konzeption, ein Memento an jenen Komponisten mit seinen gigantisch angelegten Tonschöpfungen zu richten.
Kai Schreibers Orgelstück stellt sich im Prinzip als ein auf die Spitze getriebenes Ostinato dar, indem er die ersten acht Töne aus Regers Fantasie op. 135b, dort als acht 32stel-Noten notiert, als rhythmisch aufgelockerte und auf Achtel- bzw. Sechzehntel-Werte reduzierte Gruppen benutzt und durch das gesamte Stück führt. Damit erhält diese zum Ostinato mutierte Tonfolge einen jazzigen, fast popartig swingenden Anstrich. Zusätzlich provoziert Schreiber mittels eines bewusst in sich instabil gehaltenen Metrums. Mal sind es perfekte Drei- oder Viervierteltakte, mal weisen sie einen zusätzlichen Achtel- oder Sechzehntel-Notenwert auf. Insofern muss man sich als Spieler in diese spezielle Rhythmik erst einlesen und auch darauf einlassen.
Zudem befindet sich die ostinate Kopffigur ständig in Wandlung. Sie startet zunächst einstimmig, erhält aber im Verlauf einer großangelegten dynamischen Steigerung bis zum dreifachen Forte deftige Akkordauffüllungen. Dazu kommt eine ab und zu in den Vordergrund tretende Bassfigur im Pedal mit dem ersten Fugenthema aus Opus 135b. Zusätzlich tauchen in der linken Hand die markanten Eingangsakkorde von Regers Choralfantasie Wachet auf, ruft uns die Stimme, op. 52/2 auf, allerdings hier in d-Moll notiert. Nach üppigen Klangballungen und der wirkungsvollen Synthese dieser unterschiedlichsten thematischen Elemente mündet das Stück in eine finale, dynamisch absteigende Phase mit dem sich auflösenden und zerbröselnden ostinaten Material. Damit lässt Schreiber den Hörer fast ein wenig verdutzt zurück.
Zur Wiedergabe ist eine große sinfonische Orgel erforderlich, die – wie vom Komponisten in seiner Partitur gefordert – ein nahtloses Crescendo und Decrescendo ermöglicht. Dank eines klaren und sehr übersichtlichen Notendrucks dürfte das Studium von Kai Schreibers Memento keine unüberwindbaren Hürden aufbauen, obwohl das Stück dem Spieler schon einiges abverlangt. Es passt nicht zuletzt auch durch seinen Titel bestens zur Auflockerung und Abrundung in ein reines Reger-Programm."
Dr. Felix Friedrich Organ-Journal für die Orgel (3/2018)